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"Im relativen Paradies" Phillippinen Pt. II

Updated: Jun 20, 2019



Published 10th November 2015



Kommt an Bord für eine kleine Reise auf die Philippinen...


Wir schreiben den 8. November 2015, ein leicht bewölkter Sonntag im gemütlichen Dorf Guiwanon. Es ist gelegen auf einer Insel, die, wie mir scheint, aus einer fröhlichen Laune der Götter heraus geschaffen wurde. Trotz der Wolken und der von den Filipinos als „Winter“ bezeichneten Jahreszeit, zeigt mir mein Handy noch satte 28 Grad Außentemperatur an. Und das um halb vier nachmittags. Wettertechnisch lässt sich das philippinische Jahr ohnehin kaum in Jahreszeiten unterteilen und so wurde diese Einteilung anhand der Regenzeiten vorgenommen: Regen & kein Regen; Winter & Sommer. Diese Einteilung scheint mir beispielhaft für das unkomplizierte Leben der Filipinos. Unkompliziert bedeutet hierbei allerdings keinesfalls einfach. Die meisten Menschen, die wir bisher kennen gelernt haben, führen ein anstrengendes und arbeitsreiches Leben, im stetigen Kampf um die Existenzgrundlage, weit unter dem deutschen Armutsdurchschnitt.

Im starken Kontrast zu diesem schweißtreibenden Management von Großfamilie, Unterhalt und eigenen Bedürfnissen steht die teilweise atemberaubend schöne Natur. Sie ist stiller Beobachter des täglichen Überlebenskampfes…

Unser fünfminütiger Weg zum Strand von Guiwanon führt uns durch eine wundersam exotische Kulisse: Palmen, Sträucher, Wiesen und Blumengewächse. Weidende Kühe, krähende Hähne und allerlei bunte Schmetterlinge, die lebensfroh durch die Luft taumeln. Auch weniger schön anzusehende (Monster-)Insekten und zuletzt natürlich einige Häuser mit Wellblechdächern, deren Türen einladend offen stehen.

Von innen kann man häufig das fröhliche Lachen von Kindern oder auch das aufmerksamkeitssuchende Schreien von Babys vernehmen. (Der Anteil der jungen Bevölkerung in den Philippinen ist enorm!) Der Weg führt über einen erdigen Grund, der durch den häufigen Regen häufig matschig ist. Vereinzelt ist er durch Gesteins- oder Betonbrocken ausgekleidet.




Dies ist der gerade beschriebene Weg zum Strand




Wenn wir uns dem Strand nähern, können wir schon die leichte Brise fühlen, die vom Meer her durch die Häuserschneise weht. Sie legt einen salzig, frischen Geruch in die Luft. Wir treten heraus auf den Strand und vor uns erstreckt sich der Ozean in all seiner Weite. Er wird vereinzelt eingerahmt von kleinen, grünen Inseln, die wie schöne Smaragde am Horizont sitzen. Es ist kein Strand wie man ihn in Reisekatalogen finden kann, es kein Strand für Touristen, sondern einer für die armen Fischer des Dorfes. Dementsprechend liegen an der Küste entlang dutzende Boote und der Strand hat eine leicht matschige, braune Farbe. Überall liegen abgelagerte Algen in weiten Striemen den Strand entlang und man findet leider sehr viel Müll, darunter haufenweise Hart- und Weichplastik.



Ein Strand auf einer anderen Insel...



... der leider ebenfalls enorm verdreckt ist.



Und dennoch ist das Panorama wunderschön:

Nachdem wir etwas ins Wasser gewatet sind und die Sonne sich dem Horizont entgegen neigt, verliebe ich mich ein weiteres Mal in dieses Land. Die Sonne will sich ein letztes Mal in all ihrer Pracht zeigen und malt, mit den schönsten Farben die die Natur zu bieten hat, ein atemberaubendes Bild an den Himmel: Strahlendes Gold gleitet mit glühenden Rot und Orange, sowie kräftigem Lila hinein in das Hell- und Dunkelblau des Ozeans. Das Meer kennt seine Rolle in diesem Kunstwerk wie in einem jahrtausende altem Ritual perfekt und bietet dem Schauspiel auf seinen Wogen Platz. Die gesamte Szenerie um uns herum badet in diesem Licht und so entsteht für eine kurze Zeit eine wunderbare, magische Atmosphäre. Wir sind geneigt uns zu fragen: Womit haben wir das verdient?


Der Strand von Guiwanon am Abend (Handykamera)



Für mich als Deutschen erscheint mir dieser Platz wie ein kleines Paradies. Gerade die Südküste Bantayans hat mich mit ihrem Anblick vollkommen verzaubert. Die Region wird St. Fe genannt und ist bereits recht weit von Touristen erschlossen. Das liegt zweifelsohne daran, dass man hier die leibhaftig gewordenen Katalogstrände findet: Eine lange, saubere und wunderbar weiße Küste. Türkises, glasklares Wasser und saftig grüne Hügel, die sich nach der Standpassage erheben. Ihre Hänge bieten Platz für romantische Pavillons unter Palmendächern. Da dieser Ort jedoch ca. eine knappe Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln von unserer Unterbringung entfernt ist, sind wir bisher recht selten in diesen Genuss gekommen. Doch auch das ist gut so, denn so sind die seltenen Ausflüge stets eine große Freude und der gebotene Anblick kann uns jedes Mal aufs Neue mit seiner natürlichen Schönheit überraschen. 






Der Strand von St. Fe bei unserer Ankunft mit der Fähre...



... und der Versuch das Farbspektakel am Horizont festzuhalten.


Mit diesem Stichwort würde ich gerne zu einer ernsteren Thematik übergehen, die mich die letzten Wochen über beschäftigt hat: Als ich hier ankam habe ich, wie abzusehen war, einen „Kulturschock“ erlebt. Wobei der Begriff „Schock“ eher unzureichend ist, um das Erlebte treffend zu beschreiben.

Es müsste eher von einem „Rausch“ die Rede sein, den ich versuchsweise in meinem ersten Blogartikel beschrieben habe. Er wurde natürlich dominiert von meinen visuellen Impressionen und den damit einhergehenden Emotionen. Als ich dann unsere neue Heimat erblickt habe, das traumhafte Bantayan, da wurde mein Herz erneut berauscht, auf äußerst positive allerdings und ich habe mich verliebt in die Landschaft dieses Landes.

Wie ich so vollkommen beglückt über die Pfade und Wege Bantayans gewandelt bin, habe ich bei mir gedacht, vielleicht kann die Schönheit, mit der sich Mutter Erde hier präsentiert, den Menschen Ausgleich sein, für ihre sonst häufig so schwere Lebenssituation.

Doch in der vergangenen Zeit, insbesondere im Gespräch mit den Filipinos, wurde ich langsam aber stetig desillusioniert. Denn wie sich alsbald heraus stellen sollte, sind die meisten Filipinos den Palmen, der Hitze, dem Staub und dem immer gleichen Wetter genauso überdrüssig, wie viele Deutsche den Wäldern, der Kälte, dem Schneematsch oder den deutschen Reihenhäusern. Die Macht der Gewohnheit hat ihre bleichen, kalten und schmierigen, aber lautlosen Tentakel auch langsam in die Poren des philippinischen Lebens gestreckt.

So wie sie es in jedem anderen Bereich des Lebens tut, wie mir scheint. Um ehrlich zu sein, habe auch ich Angst davor, dass diese allgegenwärtige Macht, langsam ihre Finger nach mir ausstreckt und so den Zauber, schweigend und fast unmerklich langsam, auflöst, bis ich keine Faszination mehr Empfinden kann für Exotik und Schönheit dieses Landes.



Ein weiteres Beispiel für einen traumhaften Strand auf einer Insel namens Mambacayao...


...an dessen wunderschönes Panorama...


...sich die Filipinnos vielleicht auch schon gewöhnt haben und deshalb ihren Müll auch hier entsorgen.




Als Gegenreaktion haben wir im Projekt der Mädchen...



...eine Müllsammelaktion gestartet


Neben all der Freude, die ich dennoch bisher empfunden habe, hat sich auch etwas Kummer in mein Herz geschlichen, als ich den Einwohnern dieses Landes das Ein oder Andere mal zugehört habe, wie sie mir von ihrem Traum berichten, eines Tages endlich einmal aus ihrem Heimatland heraus zu kommen und die Welt zu erkunden. Vielleicht sogar bis nach Europa reisen, ja, wenn Gott will, auch Deutschland besuchen. Das, in ihren Augen, verheißene Land. Doch alsbald hört das Schimmern in ihren Augen auf und ihr Kopf knickt ein, wenn sie sich wieder der Realität bewusst werden, die sie fest im Genick gepackt hat: Die Realität, dass sie gerade genug Geld haben, um ihre Familie durch diesen Monat zu bringen. Während das Geld für den nächsten Monat erst noch verdient werden muss. Die Realität, dass sie niemals die Zeit, geschweige denn das Geld finden werden, um ihr Land noch während ihrer Lebzeiten verlassen zu können.

Ich versuche dann sie aufzumuntern, im Glauben an Gott verankert an ihren Träumen festzuhalten und sie niemals aufzugeben. Doch alsbald fühle ich mich einfach nur dämlich, wenn ich realisiere, dass ich kleiner 19-Jähriger Bub, der ich ihnen gerade gegenüber stehe, ihren Traum lebe. Weit fernab von meiner Heimat, in der exotischen Ferne. Und auch abseits davon habe ich so viel von dieser Welt sehen dürfen. Mir bleiben also meine Ermunterungen im Hals stecken und mir bleibt nichts anderes übrig, als aus tiefstem Herzen dankbar zu sein für diese Chance. Das zumindest schulde ich Ihnen.

Doch helfen… helfen tut es ihnen leider auch nicht.

Mein Teampartner Martin hat mich vor einiger Zeit auf etwas aufmerksam gemacht: Die Gewohnheit, die ich bisher immer als größten Feind gegenüber der Freude & Faszination an Etwas angesehen habe, kann auch einen widersprüchlich schönen Charakter haben: Den der Vertrautheit, der Geborgenheit, ja schließlich den der Heimat. So gibt es wohl immer zwei Seiten an einer Medaille… Mit diesem schönen Gedanken möchte ich nun diesen Artikel beenden. Bitte wirf doch wie immer auch einen Blick auf die beigefügten Bilder, um etwas von der Magie dieses Landes zu kosten.

Salamat!

Ayo Ayo,*

Leonhard.


*(Visaya für Dankeschön!  Pass auf dich auf)




Dieses FSJ regt zum nachdenken an!




Der wunderschöne Ausblick über ein anderes Housing-Project ...


... von JPIC und der KKS für Menschen die ehemals auf der Müllhalde leben mussten



Die weiten Wiesen Bantayans



Ein in unserem Dorf gebautes Haus von JPIC und der KKS, als Reaktion auf den Taifun in 2013




Einer von hunderten Basketballplätzen auf den Phillipinen



Ein hässliches Elektrizitätswerk, das Einzige auf Bantayan, inmitten der wunderschönen Natur





Eine Metallstange





Die Schlachtung eines Hahns zu meinem Geburtstag...




... und das Kreuz aus Blut auf meiner Stirn. Eine philippinische Geburtstagstradition.






Ein Dorf vorgelagert einer Müllhalde




Wo wir mit den Jugendlichen Basketball zocken,...





... mit den Kids spielen, ... (im Bild die beiden anderen beiden Freiwilligen, Fenja l. & Luisa r.)





... und sie durch die Luft fliegen lassen.





Ein besonders begabter Luftakrobat.










Und Leo, was sagst du dazu, dass du es nach ca. zwei Monaten endlich geschafft hast den nächsten Blogartikel hochzuladen?








 Und wenn du deine Erfahrungen mit einem Wort beschreiben müsstest?

- Naja ein Bild sagt mehr als tausend Worte oder nicht? There you go:  














Okay das wäre es für heute, dankeschön fürs Mitkommen und beehrt uns bald wieder!

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