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"Einmal alles auf den Kopf stellen bitte" Phillippinen Pt. I

Updated: Jun 19, 2018

Wie schnell die Zeit doch vergeht wurde mir bewusst als ich mich endgültig von meinen Freunden, meiner Schwester und zuletzt auch meinen Eltern verabschiedet habe, um für acht Monate einfach mal ab zu hauen und einem vollkommen anderen Leben Platz zu schaffen. Man hat ewig drüber nachgedacht, ewig darüber gesprochen, sich alles ausgemalt und bis ins Detail geplant und doch realisiert man erst was acht Monate am anderen Ende der Welt bedeuten, wenn man am Flughafen in Cebu City ankommt…

Völlig unabhängig davon, wie genau man sich auch immer vorbereitet haben mag, in dem Moment in dem man den Flughafen von Cebu City verlässt wird man dennoch vor den Kopf geschlagen. Zuerst ist da eine Hitze, die so stark ist, dass man sich fühlt als habe Gott gerade einen frischen Aufguss genehmigt und die Outdoor-Sauna sei eröffnet. Die Straße ist voller verschiedener Wagen, groß und klein, vollkommen bunt und alle scheinen Sie das vollkommen wirre System des Straßenverkehrs zu verstehen, geben sich ununterbrochen Zeichen oder Warnungen durch dröhnendes Gehupe, für einen Außenstehenden wie mich jedenfalls ziemlich undurchsichtig das Ganze. Der Platz ist außerdem erfüllt von Rufen und Gesprächen in Cebuano, der Sprache, die man auf der Insel Cebu spricht. Ihr, meiner Meinung nach, schöner, melodischer Klang ist dem des Philippinischen sehr ähnlich, tatsächlich ist sie eine von über 100 verschiedenen Sprachen, bzw. Akzenten, die man über die Philippinen verteilt spricht. 

Unser Hotel, in dem wir unser Vorbereitungsseminar absolviert haben, liegt in einer sehr ärmlichen Gegend von Cebu City, die Häuser bestehen häufig nur aus Wellblechplatten, an den Straßen liegen Kinder und Erwachsene die sich zum schlafen auf Pappe gebettet haben, sogar tagsüber. Unzählige recht provisorische Verkaufsstände bieten die verschiedensten Früchte, Süßigkeiten oder am häufigsten noch frittiertes Fleisch oder Fisch an. Dieses Frittieren wird mit so genannten Palmöl gemacht und bei dem Prozess entsteht ein Gestank der uns Ausländern wirklich sehr stark auf den Magen schlagen kann. Dazu kommt, dass nicht nur die Straßenbuden, sondern auch große Fastfood Ketten wie das in den Philippinen erstmals angetroffene Jolibee, dieses Fett zum Kochen verwenden und es so scheinbar in ganz Cebu City nur sehr wenige Plätze gibt die nicht von einem Gestank erfüllt sind, der mir zeitweise jeglichen Spaß an Stadterkundungen genommen hat. Das Essen ist im Allgemeinen sehr anders, es gibt immer Reis (den man ab Tag fünf nicht mehr wirklich ab kann), frittiertes Huhn oder Fisch, überhaupt sehr, sehr viele ungewohnte kulinarische Spezialitäten, die einen deutsch gewöhnten Magen, immer wieder auf die Probe stellen.

Bei den bereits erwähnten Stadterkundungen wurde ich auf eine unerklärliche Art und Weise von eben jener verzaubert: Alles im Leben der Filipinos strahlt einen mir unbekannten Charme aus, eine Leichtigkeit und Zeitlosigkeit, die einen seine bisherige Lebensweise hinterfragen lässt. Sicherlich würde man sagen, dass in Deutschland alles sauberer und strukturierter ist, dass es den Menschen deshalb dort besser geht und trotzdem kann ich mich schwer erwehren gegen einen Sog, der mich Teil sein lassen will, Teil von diesem mysteriösen Lebensmechanismus, der sich mir bisher noch nicht wirklich entschlüsselt hat. Doch das machen einem die lokalen Einwohner auch leider nicht wirklich einfach: Jeder Schritt, jede Geste, jede Bewegung werden mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, denn man ist mit seiner weißen Hautfarbe zumindest in einigen Distrikten Cebu Citys wirklich einer unter tausenden und sticht heraus wie ein schwarzes Schaf in einer Herde Ziegen. mit ein bisschen Fantasie fühlt man sich wie der verlorene Sohn der nach einem Jahrhundert Freiheitskampf und Sieg für die Menschheit wiedergekehrt ist. Es geht sogar teilweise so weit, dass eine Verkäuferin einer kleinen Mall einfach ihr Handy zückt und mit dem Video drauf hält, ohne sich selbst dabei irgendwie mit aufzunehmen. Während die Filipinos sich zu kleinen Gruppen zusammen scharen leise reden und unheimlich viel kichern, fühlt man sich selbst eben nicht optimal integriert. Der Einkauf wird plötzlich zum Walk auf einer Schaubühne, man fühlt sich eingeschüchtert, als würden die Menschen irgendeine Performance von einem erwarten, als wäre man ihrer Unterhaltung wegen da und dabei braucht man doch nur so einen verdammten Multifunktionsadapter. Zumindest die Kommunikation klappt größtenteils sehr gut: Die allermeisten Filipinos sprechen ein (zum teil sehr) gutes Englisch, was einem ermöglicht sich in der Stadt zurecht zu finden und die Dinge zu erledigen oder zu besorgen, die man sich vorgenommen hatte. Dazu kommt, dass die Filipinos, sobald man sie aus der anonymen Masse trennt und persönlich kennen lernt, ein zum Teil herzerwärmend freundliches Volk sein können, die einem mit ausgesuchter Freundlichkeit versuchen weiter zu helfen. Natürlich bestätigen auch hier die Ausnahme die Regel und in einer Millionenstadt in der die Armut so akut und fürchterlich real ist, gibt es immer wieder Leute, die die weißen (und somit „reichen“) Ausländer betrügen wollen und naja ... es halt auch tun.

Manchmal kam mir mein Leben in Cebu City vor wie ein verworrener Traum, der sich von dem Moment, in dem ich aufstehe, durch den Tag zieht, bis ich schließlich vollkommen erschöpft in mein Bett gesunken bin, nur damit er sich durch die Nacht weiter erstreckt. Er ist erfüllt von kräftezehrender Hitze, Lethargie, Gestank, Lärm, bettelnden großen Kinderaugen, aufrichtigem wie falschem Lächeln, einer Mischung aus Englisch und Cebuano, die ich nicht verstehen kann, egal wie sehr ich mich anstrenge und zuletzt einer dumpfen Ahnung das all das kein Ende nehmen wird. Dann wieder fühle ich den leichten Wind auf meinem Gesicht, sehe die wunderschöne Natur und all die Menschen die nicht verzweifeln sondern weitermachen ihrer selbst willen und für ihre Familie, für ihre Freunde, für ihre Mitmenschen. Ich merke wie sie mir Kraft und Energie verleihen, meinen Willen entfachen und irgendetwas mich zieht, um doch etwas zu bewegen.

Ich erfahre viele wunderbare wie furchtbare Impressionen, die ununterbrochen auf mich einhageln, eine Welt die unterschiedlicher nicht sein könnte, zu dem was ich bisher gekannt habe, der Schmerz und die Freude all der Menschen, denen ich begegne und letztlich meine Unfähigkeit diesen Schmerz zu vernichten. Zu den Erlebnissen in dieser Richtung werde ich dir gerne ein anderes mal mehr erzählen, sofern Du mir erneut deine Aufmerksamkeit und Zeit schenken willst. Für heute bedanke ich mich und empfehle die Fotogalerie, die Dir einen lebhaften Eindruck dieser wundersamen Welt verschaffen kann.


Ayo Ayo*


Leonhard



(* phil. für Pass auf dich auf)

























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