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  • Writer's pictureLeo

"Die künstlichen Lichter der Straßen" Berlin Pt. I


Die künstlichen Lichter der Straßen, Häusern und Anzeigen ziehen im Fenster an mir vorbei. Das sanfte Geräusch der bremsenden S-Bahn klingt im Hintergrund durch meine Kopfhörer, während das Lied ausläuft und die drei Sekunden Fade noch nicht greifen.


Dann erklingt, stetig ansteigend erneut die melodische, irritierte und vom Weltschmerz verletzte Stimme des Sängers eines der Meisterwerke unserer Zeit. Ich sehe vor mir, wie der Interpret sich ganz in die Vorstellung des Phönix versenkt,* wie dieser sich aus der Asche seiner tot geglaubten Leiche in vollem Glanz aufrichtet und langsam seine mächtigen, von Flammen getränkten Flügel ausstreckt. Im Triumph über den entblößten Irrglauben all seiner Feinde streckt er den langen Hals in den unendlichen Himmel über sich.


Dann erhebt sich seine majestätische Gestalt wieder langsam über den Boden, die Flügel bringen die Luft beim Schwingen in flimmernd lodernde Aufruhe. Das Bild der realen Fatamorgana, des tot Geglaubten erstreckt sich mit blendender Herrlichkeit in das weite Blau des Himmels.


Menschen steigen dazu. Jeder irgendwo im Leben, irgendwo auf seiner eigenen Reise und teilt für diesen kurzen Augenblick seines Lebens denselben Weg wie ich. Volles, pulsierendes Leben, durchflutet mit aber Milliarden von Neuronen, die wie eine gewaltige, brillante Maschine, dieses kreative Wunderwerk am Laufen erhalten.


Das und die aberhundert von Schichten, physisch wie psychisch, die das vollendete, einzigartige und labyrinthafte Produkt vor meinen Augen präsentieren. Meine Augen, Teile meines Systems, aber auch die „Türen zu meiner Seele“. Wohin die Reise durch meine Augen, durch Hirn und Seele wohl führen mag?

Ich hab das leichte Gefühl, dass die Antwort vor mir liegt.


Hackescher Markt. Ein Knotenpunkt des menschlichen Treibens. Eine Ansammlung höchst moderner und teils Jahrtausende alter Gedanken. Ein rauschendes Fest zur Feier menschlicher Zusammenarbeit. Dann sehe ich einen Menschen in der endlosen Gefangenschaft der Aufgabe dies alles hier alleine , nur mit Lehm und einem Schieber bewaffnet, zu erbauen. Sysiphos, der alleine niemals das schaffen kann, was hunderte Generationen des Homo Sapiens vollbracht haben. Sind wir nur Teil des riesigen Kosmos, namens Leben.


Wie die größte Amaisenkolonie der bekannten Existenz ackern wir, wie in einem endlosen Aufwand, auf die Errichtung des Größten aller Ameisenhaufen hin. Was genau der bewerkstelligen kann , regt die Waisen zu regen Diskussionen an, doch es ist davon auszugehen, dass sich dann der Kreis schließt, der Mensch die Schöpfung wird und alles geschieht.


Warschauer Straße. Eine Sammlung der menschlichen Freuden. Der Wollust, des Fleisches und des Konsums. Allerdings variierend zu dem auf dem Kurfürstendamm, will man meinen, wohl jedoch immer noch der Einlass auf die niederen, wilden und fröhlichen Triebe. Jetzt beginnt ein Lied das mir unbekannt ist. Seine Verspieltheit und der Fluss der Melodie, gefallen mir spontan. So schön, ich muss einen Moment innehalten.


Mein Gedanken treiben in benebelten, stumpfen Glück dahin. Das Lied wird, lobt Gott oder die Technik, auf meinem Handy abgespeichert und wohl in Zukunft immer wieder genossen. Doch diese wunderbare Einladung mitzureisen, die Reise durch die Welten des Menschen, der dies kreiert hat, zum ersten Male zu machen, wird unwiderruflich vergehen. Ist sie so eben. Lichtenberg. Ich muss austeigen.




*I was listening to 'Phoenix' by A$AP ROCKY

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